Trotz des erholsamen Schlafes, bin ich nicht wirklich motiviert am Morgen aufzustehen. Meine Stimmungsschwankungen sind zurzeit enorm. Und mein Magen fühlt sich immer noch an, als ob etwas darin brodeln würde. Heute heißt es wieder volles Programm. In meine Tasche packe ich Nüsse und meine Zimt/Kurkuma Mischung. Im Speisesaal nehme ich mir Haferflocken, eine Banane und heißes Wasser, um meine mitgebrachte Ingwerknolle aufzugießen. Ich habe das Gefühl die Leute schauen mich komisch an. Ich habe mir fest vorgenommen, dass ich hier nicht täglich morgens und abends Brötchen essen werde, sondern weiter mein selbst zusammen gestelltes Müsli. So wie ich es von zuhause aus gewöhnt bin. Nach dem Frühstück, das heute schon um sieben Uhr ansteht, geht es zur Einführung in den Fitnessraum. Gleich für den Abend trage ich mich ein. Ein bisschen Bewegung, nach der langen Corona Erkrankung wird mir sicher gut tun. Doch nur nicht zu viel davon. Das lerne ich in der Einführungsstunde Feldenkrais. Und auch der Sporttherapeut lässt Ähnliches verlauten. Weniger ist hier mehr. Wir sollen lernen achtsam mit uns umzugehen. Wir sollen lernen inne zu halten, noch bevor wir aus dem Gleichgewicht geraten und in die Überforderung kommen. Mir kommt das sehr gelegen. Aufgrund meiner dauerhaften Erschöpfung in den letzten Monaten, bin ich dankbar dafür, dass ich hier zum Entspannen angeleitet werde. Der Chefarzt stellt sich den neuen Patienten vor. Von der ersten bis zur sechzigsten Minute hängen wir an seinen Lippen. Er wirkt sehr sympathisch, menschlich und kompetent. Da fühle ich mich gleich noch besser aufgehoben.
In der Therapieplanung darf ich meine Wünsche für weitere Angebote der Klinik äußern. Ich entscheide mich für Yoga und Qui Gong. Rückenschule und Fango hat mir mein behandelnder Arzt verschrieben. Und zum Pflichtprogramm gehören Walking und Ergotherapie. Ich bin sehr gespannt und freue mich darauf, wenn es am Montag losgeht. Das Gespräch mit der Oberärztin bringt mich zum Weinen. Grob gesagt ging es um Selbstwert. Auch reden wir über die möglichen Auslöser meiner manischen Depression und über meine Angst. Sie versucht mir bildlich zu erklären, wie ich mit dem, O-Ton Ärztin „ganzen Dreck in meinem Keller“ verfahren sollte. All die schlimmen Erinnerungen soll ich auf mein Sofa einladen und umarmen, so dass es irgendwann normal ist, dass sie ein Teil von mir sind. Ich soll aufhören die Geschehnisse immer wieder hochzuholen. Das würde nur immer wieder Wunden aufreißen. Stattdessen einmal umarmen und annehmen. Weil sie nie wieder aus meinem Leben verschwinden werden. Wir sprechen über eine eventuelle Medikation mit Antidepressiva. Erst einmal wird es keine geben. Doch in Absprache mit einem Psychiater zuhause wohl schon. Das ist ein sehr komplexes Thema. Auf das ich hier an dieser Stelle, auch wegen meiner medizinischen Unwissenheit, nicht näher eingehen werde. Die Kurzfassung ist, dass Menschen die zeitweise manisch und zeitweise depressiv sind und zusätzlich noch unter Panikattacken leiden, nicht einfach einen Stimmungs-Aufheller erhalten können und danach ist dann alles im Lot. Nein, dazu bedarf es einer etwas genaueren Planung der Medikation. Und die werde ich mit einem Facharzt besprechen, wenn ich wieder zuhause bin.
Nach der Einführungsrunde Sporttherapie verabreden wir Frauen, vier sind wir inzwischen, uns zu einem Treffen nach dem Abendessen. Wir wollen uns auf der Wanderkarte eine Route für Samstag aussuchen. Es fühlt sich sehr gut an mit Gleichgesinnten zusammen zu sein. Dann ist das anders sein plötzlich völlig normal.
Vor dem Schlafen gehen denke ich nochmal über das nach, was die Oberärztin mir bezüglich meiner Erinnerungen gesagt hat. Kann ich meine Feinde wirklich umarmen? Zum jetzigen Zeitpunkt ist alleine die Vorstellung so schrecklich, dass ich weinen muss. Doch ich glaube daran, dass sich in den nächsten Wochen etwas verändern kann.
Fazit des Tages: Wo Schatten ist, ist auch Licht!
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